Textergänzung (Textseite 107 ff)

(Die folgenden Passagen aus Esprit&Geist über das Wirken der Jesuiten[1] fehlen in Geist, finden sich aber in den anderen Ausgaben; in Klammern jeweils die Seitenzahlen von Esprit&Geist):

 

(299) Wer weiß was vor Ursachen der König haben mag / und ob er nicht aus Furcht dieselben so in Ehren und Wür=den hält / denn er weiß sehr wohl / daß diese Art Leute Spanisch gesinnet seyn / daß ihr General ein gebohrner Hispa=nier sey / und daß der Pater Cotton[2] al=le Beichten des K. Heinrich des IV. in Hispanien überschrieben / und als nach seinem Tode / eben dieser Pater sich seinem Sohn Ludowig dem XIII.[3] zum Beicht= Vater anerbote / da wußte dieser (300) noch eben junge Printz (ich weiß nicht ob aus sich selber / oder aus Eingebung) zu antworten: “Nein / er möchte auch seine Beichten in Hispanien über=schreiben / wie er seines Herrn Vatern überschrieben hätte.” Ich habe / gesa=get / es könte die Furcht diesen König de=nen Jesuiten so geneiget machen; gewiß König Henrich der IV. war davon nicht frey /als er die Jesuiten wieder in Franck=reich beruffen wolte / und der Duc de Culli[4] es ihm widerriethe / fiehl er ihm in die Rede / mit den Worten: “So versichert mich dann meines Lebens” / daraus man genugsam abnehmen kan / daß dieselben / welche die Wiederein-

füh=rung der Jesuiten damals befoderten / dem Könige die fürchterliche Gedancken beygebracht haben müssen / daß / dafern der König hierinn nicht würde willi=gen / so könte es leicht geschehen / daß diese seine Patres oder ihre Schüler (301) ihn ermorden möchten. Es weiß auch der König Ludowig / daß ohnge=achtet man dieselben in Franckreich wieder eingenommen / geheget und ge=pfleget / es dem allen ohngeachtet den=noch dem tapffern Fürsten seinem Groß=Vater das Leben gekostet ha=be / denn Jean Castel und Fran=cois Ravillac[5] wahren Jesuiten. Schüler und Jünger / und wurden zu dieser Mordthat getrieben; Ad majorem DEI gloriam, um de=sto grösserer Ehre GOTTes willen. Man darff auch nicht zweiffeln / ob der König wissen möchte / von dem in der Parisischen Parlaments=Cantzeley lie=genden eigenhändigen Buch ihres Paters Guignards,[6] darinnn unter andern auch folgender Innhalt zu befinden / indem er von

König Henrich den III.[7] redet: “Der grausame Nero ist getödtet durch einen Clemens,[8] und der verstellete (302) Münch durch einen Wahrhafftigen / diese Helden=That / welche Jacob Cle=mens[9] verrichtet in Krafft des Heil. Geistes / wie es also von unsern Theo=logen erkant und genennet wird / ist billig gelobet von dem Seel. Prior der Jacobiner, als eines Bekenners und Märtyrers vieler Ursachen wegen. Der Bearnische[10] Neubekehrte zum Catholischen Glauben / würde viel zu gelinde gehalten / wenn man ihn in ei=nem Kloster die Münch=Crone er=theilete / kan man ihn ohne Krieg nicht herab bringen / so führe man den Krieg mit ihm / kan man ihm mit Kriege nicht ankommen / so sterbe man ihn auf ande=re Weyse.”

Diesemnach / dafern es ans Leben ge=het / so ist es nicht Wunder / daß man al=les thut dasselbe zu erhalten. Wer weiß / ob diese seinen Patres nicht auch den ietzt=regierenden König überredet : Er müs=(303)se alle Hugenoten aus seinem König=reiche vertreiben; Ad majorem DEI gloriam, zu desto grösser Ehre GOTT=tes / sonsten schwebete er in Lebens=Gefahr. Aber auch ohn diese Furcht /davon wir hier geredet / finden sich eini=ge wahrscheinende Ursachen / die den Kö=nig bewegen die Jesuiten bey und um sich zu behalten und sich ihrer zu bedie=nen; Nehmlich / weil diese eben milde und freywillig sind im beichten und büs=sen / indem bey ihnen grosse grobe Laster nur als Pecadilles oder kleine gemei=ne Sünden angesehen und vergeben werden; das würde bey einem elenden Capuziner so nicht angehen / als wel=cher durch dergleichen hefftig geärgert wird / wenn solche ihm auch nur genennet werden.

Über das so befinde ich eine sonderliche Aehnlichkeit und geheime Freundschafft zwischen den Geistern des Königs und (304) derer Jesuiten. Man könte zwischen beyden eine artige Vergleichung anstel=len. Denn auch diese Letzteren sind Bluthgierig / Betriegerisch / sich allerwe=gen einflechtende / Kundschaffter an al=len Höfen / stoltz / und alles ihrem Eigen=Nutzen aufopfferend. So haben auch die Jesuiten einiges Ansehen / und Vertrauen zu Rom / allwo der König noth=wendig seine Ausschicklinge und Kund=schaffter haben / und halten muß.

Aus allen diesen Ursachen kan man leicht be=greiffen / darumb der Allerchristlichste König der Jesuiten Freund ist / und sich ihrer in allerhand Begebenheiten nützlich gebrauchet / nachdem Er ihnen gantz ei=gen abgemercket / daß sie allemahl bereit und fertig sind / an die stärckeste Seite zu treten / welches so wol Franckreich / als auch ihren Statts=Regulen gemäß ist und bestimmet.

(305) Da können nun die Jesuiten / die sich sel=ber Seulen und Pfeiler der Päbstlichen Kirchen nennen / die Weltlichen Fürsten die=ses Glaubens am besten bereden / und betrie=gen helffen / ja dieselbe in den süssen Schlaff einsingen / durch Vorwand des Frantzösi=schen Eyffers / zur Bekehrung oder Aus=rottung der Ketzer / und gewiß ihr Zeug=nüß ist wichtig / und von sonderlichem Nachdruck insonderheit / da der König die Jesuiten selber gantz treu hertzig machet / in dem Er sich bey Verfolgung der Huge=notten in seinem Königreich allein ihres Rathes gebrauchet. Überdaß so thue es ein grosses / daß Er ihnen Hoffnung ma=chet / Er wolle ihnen in kurtzer Zeit / die Länder der Un=Päbstlichen Fürsten und Herrschaften einräumen / und sie auch da=rin feste setzen.

In Engelland hat man allbereit den An=fang gemachet / sie meynen aber es werde da=bey nicht verbleiben / sondern bald ein solcher Satz wie Anno 1672. darauf erfolgen. In der Zeit hätten sie auch ihre Collegien schon eingetheilet / in Amsterdam solten zwey seyn (306) wegen Grösse der Stadt / an den übrigen Oertern nach jedes Vermögen. Und hielten sie diese ihre neuerworbene Güter vor sehr fruchtbar / wie man sonst im Ackerbau / von den lang=geruheten alten Ländern urthei=let. Dennoch so schliesse ich / daß der Kö=nig in Franckreich ein Freund der Jesuiten ist / rühret nicht daher / daß Er so gut Päb=stischen Glaubens wäre / sondern wegen sei=ner Furcht / und anderer Eigen=Nützigen Absehen. Was hat man doch …  

 

(weiter wie in Geist 107/13).


 



[1] Als Beispiel der auch im 19. Jahrhundert noch gängigen Polemik hier ein Abschnitt aus Eduard Dullers Die Jesuiten, wie sie waren und wie sie sind von 1845, der die gleichen Geschehnisse beschreibt wie obige Passge aus Esprit&Geist: 

Um so verhaßter war er (Heinrich IV./der Verf.) der Ligue, dem spanischen Hofe und den Jesuiten, welche fortwährend die Krone Frankreichs an Spanien bringen wollten. Zu diesem staatsverbrecherischen Zwecke versuchten sie alle möglichen Umtriebe, reizten in den Beichtstühlen das Volk zur Empörung und verführten einen ihrer Schüler, den jungen Johann Chatel, zum Königsmord, indem sie ihm denselben als das einzige Gott gefällige Werk vorstellten, wodurch er seine Seele von ewiger Verdammnis erretten könne. Der Jesuitenschüler stach (1594) dem König nach der Kehle, traf ihn aber in die Lippe, so daß derselbe gerettet ward. In der peinlichen Untersuchung, welche mit dem Mörder vorgenommen wurde, ergaben sich nun alle Ränke der Jesuiten, und sie wurden durch einen Parlamentsbeschluß, als Staatsfeinde und Verführer der Jugend, aus Frankreich verbannt, Chatel von Pferden zerrissen, der Rektor des Kollegiums zu Paris gehängt und verbrannt. Aber dem Verbannungsurtheil zum Trotze blieben die Jesuiten in Frankreich, zum Theil von der liguistischen Partei offen geschützt, zum Theil in angeblich weltlichem Stande, und schmiedeten ihre Ränke wie vor und eh. Und es dauerte auch nicht lange, so versprach ihnen Heinrich IV. (1603), auf immerwährendes Andringen des Papstes, ... daß sie sich wieder in Frankreich aufhalten durften. Vergeblich warnten den König seine treuen Freunde und das Parlament vor ihren staatsgefährlichen Grundsätzen; Heinrich IV. hielt sein Wort, und so wurden die Jesuiten 1604 in Frankreich wieder aufgenommen. Kaum waren sie so geduldet, so suchten sie auch schon zu herrschen. Der Jesuit Pater Cotton wurde des Königs Beichtvater und gab sich alle mögliche Mühe, dessen treuen Freund und mächtigen Minister, den Herzog von Sully, einen großen und edlen Staatsmann, durch Verleumdungen zu verdächtigen und zu stürzen.“ (Duller, Jesuiten. S. 51).

[2] Pater Cotton - Pierre Coton (*1564, †1626), langjähriger Beichtvater Heinrichs IV.

[3] Ludewig dem XIII. – Ludwig XIII. (*1601, †1643), König von Frankreich 1610 bis 1643. Er war der Sohn von Heinrich IV. und Vater Ludwigs XIV.

[4] Duc de Culli - In Bißhero vager formuliert: „von je=mand“. Duke of Sully = Maximilian de Béthune, Duc de Sully (*1560, †1641), Marschall von Frankreich und Vertrauter Heinrichs IV.

[5] Jean Castel und Francois Ravaillac - Jean Chatel (*1575, †1594), ein Jesuitenzögling, versuchte am 27. Dezember 1594 vergeblich, Heinrich IV. zu ermorden. François Ravaillac (*1578, †1610), war 1610 ´erfolgreicher´ und ging so als Mörder Heinrichs IV. in die Geschichte ein. Ravaillac wird in der Literatur als religiöser Eiferer beschrieben, der vergeblich versuchte, dem Orden der Jesuiten beizutreten.

[6] Pater Guignard - Jean Guignard, Jesuit, wurde 1595 im Zusammenhang mit dem Attentat Jean Chatels auf Heinrich IV. als Mitverschwörer gehängt.

[7] Heinrich den III. - Heinrich III. (*1551; †1589), Herzog von Anjou, auch Henri von Valois genannt, war von 1574 bis zu seiner Ermordung 1589 König von Frankreich und letzter König aus dem Haus Valois. Er starb kinderlos, ernannte aber auf dem Totenlager Heinrich von Navarra zu seinem Nachfolger. Dieser regierte als Heinrich IV. Frankreich von 1589 bis 1610 und wurde seinerseits von einem religiösen Fanatiker ermordet (s.o., Fußnote 5).

[8] Der grausame Nero ist getödtet durch einen Clemens – Heinrich III. wird hier mit dem besonders für Christenverfolgungen berüchtigten römischen Kaiser Nero (*37 n. Chr.; †68 n. Chr.) gleichgesetzt.

[9] James Clement - Jacques Clément (*1567; †1589), ein Dominikanermönch, der 1589 den französischen König Heinrich III. erstach.

[10] Bearnische Neubekehrte – Spielt an auf die ´l'affaire du Béarn´ (1617-1620). Die Grafschaft Bearn blieb nach dem Willen von Jeanne d´Albret (*1528, †1572, Königin von Navarra, Mutter von Henri IV.) zunächst protestantisch. Nach der Vereinigung mit dem Königreich Frankreich machte Ludwig XIII. 1620 die katholische Messe auch im Béarn verbindlich.

 

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